Etwas bleibt immer by Rai Edgar

Etwas bleibt immer by Rai Edgar

Autor:Rai, Edgar [Rai, Edgar]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783827079121
Herausgeber: Berlin Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


12

Innerhalb einer Sekunde stürzt du aus einem Universum, das sich im selben Moment auslöscht, auf die Erde und in dein Bett. Ein Klopfen hat dich geweckt. Du bist nackt, setzt dich auf. Deine Finger sind geschwollen, die Nägel wie gewaltsam ins Fleisch gedrückt. Alles an dir scheint wund und entzündet, rot, fiebrig erhitzt. Deine Wangen glühen. Die Luft im Schlafzimmer ist zum Schneiden.

»Nino?«

Es ist die Stimme von Herrn Breuer, gedämpft durch Glas. Er steht vor der Terrassentür, die du niemals verriegelst. Könnte also auch einfach hereinspazieren. Doch dann würde er den umgestürzten Nachttisch sehen, die zerbrochene Lampe, die von der Stange gerissene Gardine. Und die goldenen Slipper seiner Frau.

»Nino, bist du da?«

Dein Bett sieht aus wie nach einem Kampf auf Leben und Tod. Und die Luft ist deshalb so dick, weil sie schwanger ist, gesättigt – vom Geruch nach Sex. Der ganze Raum riecht nach Sex. Das Bett, die Gardine, vor allem du selbst, deine Finger, deine Arme, dein Haar.

Du versuchst, etwas zu erwidern – irgendetwas –, doch deine Zunge ist taub und deine Kehle ein ausgetrocknetes Flussbett. Also stehst du auf, stolperst gegen den Türrahmen, kickst die Slipper unters Bett und wickelst dir ihr Handtuch um die Hüfte, das unter einem Bettfuß klemmt und reißt, als du es hervorziehst. Silencio liegt unverändert auf der Decke, hebt aber den Kopf und blickt hoffnungsvoll zu dir auf, als du aus dem Schlafzimmer kommst.

Der Hausherr steht unter dem Segel in Shorts und Shirt, zwei Zentner besorgte, aber ahnungslose Freundlichkeit. Du blickst ihn an, versuchst dich an einem Lächeln. Nein, er hat keine Ahnung, was sich hier letzte Nacht ereignet hat. Da geht es ihm wie dir. Du schiebst die Tür gerade so weit zur Seite, dass er nicht das Gefühl bekommen muss, du versuchtest etwas vor ihm zu verheimlichen. Gleichzeitig weichst du einen Schritt zurück, damit dein Geruch nicht nach draußen dringt.

»Guten Morgen, mein Lieber. Sie sehen wirklich nicht gut aus. Sicher, dass Sie nicht doch krank sind?«

Du drückst dir drei Finger gegen die Schläfe.

»Migräne. Die Woche zwischen Sommer und Herbst …«

»Bettina liegt auch noch in den Federn.« Breuer wirkt nachdenklich. »Sagt, sie sei völlig erschlagen. Ich bin ja gestern gleich ins Bett gekippt. Die letzten Wochen … Klagen auf hohem Niveau, schätze ich.«

Er sieht dich an, als wärst jetzt du an der Reihe. Doch du weißt nicht, was ihn hergeführt hat. Der Wind bringt seine Frisur durcheinander. Sind nicht mehr viele Haare übrig, und die Illusion gelingt nur, solange jedes Haar am zugewiesenen Platz bleibt.

»Sicher, dass alles in Ordnung ist«, fragt er, »mit Ihren Kopfschmerzen?«

»Geht schon«, sagst du.

Schließlich fällt ihm ein, weshalb er hier ist: »Ich würde Sie ja gerne schlafen lassen, Nino. Aber in zwei Stunden sind unsere Gäste am Flughafen abzuholen.«

»Herr und Frau Wolff.«

»Richtig. Ich würde es ja selbst tun, aber ich fürchte, die Geste könnte missverstanden werden.«

»Natürlich, Entschuldigung. Ich kann die Wolffs abholen, kein Problem.«

»Gut. Das ist gut.«

Es nervt ihn, dass seine Haare unentwegt in Bewegung sind, dass ständig an ihm gezerrt wird.

Du wartest. Da kommt noch mehr.

»Ich wollte Ihnen noch etwas sagen, Nino.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.